„Die Liste mit den Dingen, die ich im Leben noch erreichen kann, ist lächerlich kurz im Vergleich zu der mit den Dingen, die ich schon verpasst habe.“
Alte weiße Frau – hast Du den Blues?
Melanies Fünfzigster ist ein rauschendes Fest. Sie lässt sich feiern, der Champagner fließt in Strömen, ein Flirt liegt in der Luft. Doch dann wendet sich das Blatt. Ihre Mutter, zu der sie nie ein gutes Verhältnis hatte, braucht ihre Hilfe, sie ist alt geworden. Ihre erwachsene Tochter, die nie so werden wollte wie Mel selbst, ist gerne Hausfrau und will auf keinen Fall Karriere machen. Ja, und die Männer. Der Flirt, ein Kollege, redet im Büro schlecht über sie. Mels Chef fördert eine jüngere Kollegin. Ihr Exmann wird Vater, bekommt mit seiner neuen Frau ein Kind. Das Kind, das er mit ihr nie wollte. Mel hat in ihrem Leben alles richtig gemacht. Bis auf die Dinge, die kolossal schiefgelaufen sind. Und heute ist sie nur noch wütend. Ein Buch über die Fallstricke der Emanzipation und den Fluch, alles zum ersten Mal zu machen. Klappentext
Amazon Stimmen:
„KEIN humorvolles Frauenbuch… hat mich eher runter gezogen und keine Freude beim Lesen bereitet.“
Nicole W.
oder auch:
„Das Buch seziert das Leben einer reifen Frau, schonungslos und ehrlich. Ich finde ihre Perspektive bereichernd.“
Eva P.
Wieder mal ein Buch, welches seine Kritiker:innen spaltet. Genau diese Bücher liebe ich. Sie fordern ihre Leser:innen heraus, sich selbst ein Urteil zu bilden, zwischen den Zeilen zu lesen und den Kern der Geschichte zu erfassen. Um was geht es bei „Das Leben keiner Frau“? Um ein humorvolles Frauenbuch? Ich denke nicht. Oder doch. Ein wenig. Oberflächlich gesehen sicherlich. Doch was steckt in der Tiefe?
Ich lese die Protagonistin Melanie als kluge und ehrgeizige Frau Anfang 50, die bereits wichtige Stationen in ihrem Leben hinter sich hat. Kind bekommen, geheiratet, Karriere, geschieden. Die Bestandsaufnahme kurz nach ihrem 50. Geburtstag ist zynisch, ehrlich und ohne Tabus. Frauen in diesem Alter haben noch Lust auf Sex, sie sind eifersüchtig auf ihre jungen Kolleginnen und erst recht auf die jüngeren Geliebten und neuen Frauen der ExMänner. Sie wollen gesehen und gehört werden. Solidarität unter Frauen? Fehlanzeige. Dieser Roman beschreibt die Rivalität nicht nur im Job, sondern auch innerhalb der Familie und über drei Generationen. Was könnten Frauen zusammen großartiges erreichen, wenn sie aufhören würden sich gegenseitig fertig zu machen?
„So oder so sind Frauen Verliererinnen, die für alles büßen, der anwesende oder abwesende Mann ist nur ein Orientierungspunkt.“
S. 215
Was also gelingt Caroline Rosales mit diesem Romandebüt? Sie zeichnet schonungslos das Porträt einer Frau, die von der Bühne des Lebens in die Unsichtbarkeit gleitet. Und mit dem Tod ihrer Mutter rutscht die Protagonistin zusätzlich in der Familienhistorie auf den letzten Platz, den der alten Frau. Ein Generationenwechsel, den sie nicht selbst bestimmen kann, da er von der Natur vorgegeben ist. Da hilft auch nicht die schillernde Medienwelt, die eh die Lichter nach und nach für Melanie ausmacht. Am Lichtschalter sitzt natürlich das Patriarchat, oh Wunder.
Nach außen selbstbewusst und zielstrebig und innerlich eine Kluft, die sie versucht, mit Männern und Alkohol zu überbrücken, mit der Hoffnung auf Trost. Oder gar Liebe? Wie vermessen in diesem Alter.
„Ich habe Jahre gebraucht, bis ich verstanden habe, dass ich nie wieder richtig glücklich sein würde. Seitdem durfte sich jeder in meine Leere stürzen, sie wussten, dass ich es zulassen würde.“
S. 229
Ein ironisches Buch. Ein ehrlicher Lebensausschnitt. Eine Bereicherung für meine Rosales Sammlung. Großartig geschrieben.
Absolute Leseempfehlung!

Das Leben keiner Frau
Autorin: Caroline Rosales
ISBN: 978-3550201639
Verlag: Ullstein, August 2021
Hardcover 22€
Klingt nach einem sehr spannenden Buch
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