„Jedes Wort, das ich spreche, trägt Ketten um die Knöchel…“
Die junge Frau, die eines Tages »die großartige Idee hatte, sich zu Tode zu trinken«, wird von einer besorgten Londoner Freundin mit geborgtem Geld für zwei Wochen nach Paris ·geschickt – in jene Stadt, in der die Frau vor Jahren glücklich war, in der ihr Kind geboren wurde und starb, in der sie den Mann verlor. Die Tage in Paris sind ein einziger Balanceakt: sie wehrt sich gegen Erinnerung und Vergangenheit und ist doch unfähig, ein neues Lebensgefühl zu gewinnen.
»Jean Rhys verhalten-elegischer, von aller mondänen Tristesse a la Francoise Sagan weit entfernter Roman erlebte 1967 in Amerika und England seine Wiederentdeckung, die fast vergessene Autotin ein sensationelles Comeback.. (Der Spiegel)
»Jean Rhys hat Großartiges geleistet. Ihre Bücher mögen aktuellen Anliegen dienen, aber sie steht über allen Anliegen. Worüber sie geschrieben hat, das hat sie erlitten, ein langes Leben lang.« (v. S. Naipaul) Klappentext

Für mich war dieses Buch ein Glücksgriff für meine literarische Seele. Ein großartiger Roman mit autobiografischen Elementen der mich sehr berührt hat. Entdeckt habe ich ihn durch das Sammelband „Skandalös – Das Leben freier Frauen“ von Cristina De Stefano. Sehr oft musste ich innehalten und über die eben gelesenen Zeilen nachdenken. Sehr viel habe ich unterstrichen und wünschte mir, ich könnte manche Sätze auf meiner internen Festplatte speichern. Sätze voller Melancholie und Sehnsucht. Weltschmerz und das Resümee auf ein Leben, welches komplett anderes verlaufen ist, als erträumt.
Jean Rhys schafft es in einer klaren und umverschnörkelten Sprache die Geschichte einer Frau zu erzählen die alle Facetten des Lebens erlebt hat. Paris in der Nachkriegszeit macht sie für ihre Protagonistin zur Bühne. Die Stadt an der Seine hätte sie aufmuntern sollen.
„Die langen, wunderschönen blauen Tage, die kein Ende nahmen, die noch immer dauern.“
Eine Abwechslung zum trostlosen, nebligen London. Hier hätte sie neuen Lebensmut fassen sollen. Doch nicht einmal eine so wunderschöne und verklärte Stadt kann das heilen, was sie Jahre zuvor angerichtet hat. Von Schicksalsschlägen eingeholt und verlassen, scheint sie nie angekommen zu sein. Eine Suchende ohne Ziel. Die Protagonistin Mrs. Jansen hätte die traurige gute Freundin von Sartré und De Beauvoir sein können. Sie, die das Schöne nicht mehr zulassen kann aus Schmerz und Enttäuschung. Sie, die nicht mehr im Glanze ihrer Jugend steht und ihrer Vergangenheit und der Schönheit hinterher trauert. Die tief sitzende Einsamkeit ist in jeder Zeile zu lesen. Eine Frau, die nirgends vermisst werden würde, wenn sie endlich in die Ewigkeit geht….
„…und mich hat jetzt alles verlassen, nur mein Elend nicht.“
Rebecca West sagte über diesen Roman: „Man sollte dieses Buch nur aufschlagen, wenn man glücklich verheiratet, extrem reich und bei bester Gesundheit ist.“
Ich habe den Roman auch ohne oben genannte Eigenschaften überlebt. Wahrscheinlich konnte ich genau deswegen fast jede Zeile nachfühlen.

Infos zur Autorin: Jean Rhys wurde am 24. August 1890 auf einer kleinen Karibik Insel geboren. Als sie 17 Jahre alt war, zog sie mit ihren Eltern nach England ins kalte und regnerische London. Als junge Frau lebte sie als mittellose Tänzerin bis sie ihren Mann kennenlernt und mit ihm nach Paris und später nach Wien zieht. Nach der Trennung wohnt sie wieder in Paris, wo sie mit dem Schreiben beginnt. Entdeckt wird sie von Ford Madox Ford, dem Chef einer Pariser Zeitschrift. Er war begeistert von ihren Manuskripten und legte somit den Grundstein für ihren Erfolg. Sie starb am 14. Mai 1979 in England, wohin sie 1927 zurückkehrte. Weitere erfolgreiche veröffentlichte Romane: Die weite Sargassosee; Im Meer der Leidenschaft
Lieblingszitat: „Schreiben ist wie ein riesiger See. Es gibt große Flüsse, die in den See münden wie Tolstoi oder Dostojewski. Und es gibt Bäche wie Jean Rhys. Ich bin nicht wichtig. Wichtig ist der See.“

Taschenbuchverlag Berlin, Juni 2002
ISBN: 978-3442760466
Übersetzerin: Grete Felten
2 Gedanken zu “Guten Morgen, Mitternacht * Jean Rhys”